Wettbewerb zum ersten Artikel der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren“

Wir haben die Schülerinnen und Schüler des Karl-Friedrich-Gymnasiums aufgefordert, schön gestaltete Plakate (im Din A4-Format) einzureichen, auf denen in einer vielen Weltsprachen der erste Satz der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 steht. Das Ergebnis ist beachtlich und wird als Ausstellung im Erdgeschoss der Schule (zwischen den Türen des Lehrerzimmers) präsentiert. 

Die Ausstellungseröffnung in Anwesenheit aller Schülerinnen und Schüler, die Werke eingereicht haben, fand am Dienstag, 12. November 2024, statt. Dort erhielten alle Schülerinnen und Schüler einen kleinen Preis. Besonders ausgezeichnet wurden die Schülerin Raiba aus der 7C und Nehaani aus der 11A für ihre herausragenden Poster. Die Preise wurde finanziert mit der freundlichen Unterstützung unseres Fördervereins.

Die allgemeine Erklärung der Menschenrechte und ihre Übersetzungen in unzählige Sprachen finden sich hier

 

Hier sind die eingereichten Plakate zu sehen:

Begleittext zur Ausstellung

Sprachverwirrung und Menschenrechte

Ein Wettbewerb für Schülerinnen und Schüler des Karl-Friedrich-Gymnasiums zum ersten Artikel der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (1948): „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.“

In vielen Kulturen gibt es Turmbaugeschichten. Am bekanntesten ist die biblische Geschichte vom Turmbau zu Babel (Gen. 11, 1–9), in der sich die Menschen vornehmen, „eine Stadt und einen Turm mit einer Spitze bis in den Himmel“ zu bauen. Während die Geschichte bis zu diesem Punkt mit vielen anderen Turmbaugeschichten übereinstimmt, fügt die Bibel als neues Element der Erzählung eine göttliche Reaktion auf diese Anmaßung hinzu, deren Unblutigkeit man heutigen Politikern durchaus als Vorbild mitgeben könnte: Er verwirrte die Sprache der Menschen, „sodass keiner mehr die Sprache des anderen versteht“. Da man sich nicht mehr verständigen konnte, waren die Menschen nicht weiter in der Lage, das Großprojekt fortzuführen. Unterschiedliche Sprachen hatten so etwas Trennendes.

Die biblische Geschichte von der Sprachverwirrung hat (falschen) Spekulationen Nahrung gegeben, es habe einmal in unvordenklicher Zeit eine gemeinsame Sprache gegeben. Der Traum einer einzigen Menschheitssprache tauchte dann in der Folge immer wieder auf, man denke etwa an Esperanto. Die Res publica literarum, die Gelehrtenrepublik der frühen Neuzeit, hatte selbstverständlich Latein als gemeinsame Sprache – zugebenermaßen begrenzt auf den recht kleinen Kreis der Gebildeten. Heute hat am ehesten das Englische diesen Status, ohne dass es allerdings politisch denkbar wäre, diese Sprache der gesamten Menschheit gewissermaßen zu verordnen. Hinter der Idee einer gemeinsamen Menschheitssprache steht die gewiss nicht falsche Vorstellung, dass es das Beherrschen einer gemeinsamen Sprache Menschen ermöglicht, einander besser zu verstehen und besser miteinander zu kommunizieren. Das Erlernen der Fremdsprachen hat hier seinen wichtigsten Grund.

Und doch ist Vielsprachigkeit, wie wir sie bspw. am Karl-Friedrich-Gymnasium erleben, kein Makel, sondern vielmehr ein Schatz. Neben den (mindestens) zehn Sprachen, die im Unterricht oder in Arbeitsgemeinschaften eine Rolle spielen, gibt es in unserer Schülerschaft (mindestens) gut dreißig Herkunftsländer mit den entsprechenden Sprachen. In dieser Ausstellung können wir übrigens dreizehn unterschiedliche Sprachen präsentieren. Vielleicht fühlt sich ja der eine oder die andere noch angeregt, etwas in seiner Sprache beizutragen. Das wollen wir dann auch gern noch ergänzen.

Wenn von einem Schatz die Rede ist, so verweist das zunächst auf den unbeschreiblichen Reichtum, den jede Sprache und die damit verbundene und zum Ausdruck gebrachte Kultur in sich trägt. Sprache und Denken stehen in einem engen Zusammenhang. Unterschiedliche Sprachen können die Menschheit durch unterschiedliche Vorstellungen bereichern. Und nichts wäre falscher, die Mehrsprachigkeit eines Kindes als einen Nachteil zu sehen. Vielmehr trägt ein mehrsprachig aufwachsendes Kind einen Schatz in sich, der daraus resultiert, dass es in unterschiedlichen Vorstellungswelten daheim ist. Indem wir die unterschiedlichen Sprachen unserer Schule in dieser Ausstellung präsentieren, zeigen wir auch mit gewissem Stolz den Schatz, über den wir hier verfügen.

Bevor es jetzt um eine zweite Bedeutung der Vielsprachigkeit als Schatz geht, wollen wir erst einmal auf den eigentlichen Inhalt des Wettbewerbs zu sprechen kommen. Der Satz, um den es hier geht, entstammt der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, die am 10. Dezember 1948 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen beschlossen wurde. Bestätigt wurde der Text nochmals in der Abschlusserklärung der 1993 stattfindenden zweiten Weltmenschenrechtskonferenz in Wien einmütig von den 171 dort anwesenden Staaten. Es handelt sich mit Fassungen in mehr als 460 Sprachen um einen der am häufigsten übersetzten Texte überhaupt (womit sich ein erster Bezug zum Thema „Sprache“ ergibt). Der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte kommt der Rang zu, einer der bedeutendsten Texte der Menschheit zu sein – vergleichbar etwa mit der Bibel und dem Koran, der Odyssee und der Mahabharata, um nur wenige Beispiele zu nennen. Eine der wichtigsten Weiterentwicklungen der UN-Menschenrechtscharta ist übrigens die UN-Kinderrechtskonvention von 1989, die bis heute von den meisten Staaten der Erde angenommen worden ist

Die Geschichte der Menschenrechte im Sinne von Rechten, die jedem Menschen allein aufgrund seines Menschseins zukommen, geht bis in die Antike zurück, wobei damals der Gedanke der Gleichheit aller Menschen in Hinblick auf ihre Rechte nur in Ansätzen auftritt. Systematisch entwickelt wurden die Menschenrechte dann in der Aufklärung des 17. und 18. Jahrhunderts, was sich auch in den ersten Menschenrechtskatalogen (Virginia Declaration of Rights von 1776, Déclaration des Droits de l’Homme et du Citoyen von 1789) niederschlug.

Im Zentrum des ersten Artikels der Menschenrechtserklärung und von Menschenrechten überhaupt steht neben den Vorstellungen der Gleichheit und der Unveräußerlichkeit die Menschenwürde. In Hinblick auf den ersten Artikel des Grundgesetzes („Die Würde des Menschen ist unantastbar.“) hat das Bundesverfassungsgericht die Menschenwürde als „obersten Verfassungswert“ bezeichnet. Das bedeutet, dass sie nicht durch andere Rechte eingeschränkt werden kann, sondern vielmehr als Ausgangspunkt für die Auslegung aller anderen Rechte dient. Auch mit der Vorstellung der Würde des Menschen hat sich bereits die Antike auseinandergesetzt, insbesondere Cicero. Doch erst der Aufklärer Samuel Pufendorf erklärt im 17. Jahrhundert die Menschenwürde ausdrücklich zu einem unveräußerlichen und allen Menschen gleichermaßen zukommenden Recht. Am weitesten fasst Immanuel Kant im 18. Jahrhundert die Menschenwürde, indem er betont, dass der Mensch als „Zweck an sich“ nie „Mittel zum Zweck“ sein dürfe, womit er jeder Form von Sklaverei und Unterdrückung eine Absage erteilt.

Ein wesentlicher Aspekt der Menschenrechte, der sich unmittelbar aus der Menschenwürde ergibt, ist das Diskriminierungsverbot, wie es sich etwa in Artikel 2 der Allgemeinen Menschenrechtserklärung findet. Hier wird die Sprache explizit erwähnt. Dass es sich dabei nicht um eine abstrakte Forderung handelt, sondern wir als Schule konkret angesprochen sind, mag eine Erinnerung aus meiner eigenen Schulzeit verdeutlichen: Am Bonner Gymnasium wurden die Schüler der umliegenden Dörfer, die von dort ihren Dialekt mitbrachten, offen von Lehrern diskriminiert. Ich hoffe, dass die Schüler unserer Schule diese Erfahrung nicht machen müssen. Wenn wir also unsere Schülerinnen und Schüler bitten, ihre Sprachen zu präsentieren, dann auch als Bekenntnis, dass uns diese Sprachen und die damit verbundene Herkunft am Herzen liegen.

Wenn ich oben Vielsprachigkeit als einen Schatz bezeichnet habe, so geschah das zunächst einmal unter der Perspektive des Nutzens und des Beitrags, den verschiedene Sprachen zu einer Gesellschaft leisten können. Aber noch in einem ganz anderen Sinn ist Sprache ein Schatz: Die Herkunftssprache gehört zur Identität eines jeden Menschen, sie ist sein vornehmster Besitz. Seine Würde zu achten, heißt deshalb auch, diesen Schatz zu respektieren und in seinem persönlichen Wert anzuerkennen.

Mit Stolz präsentieren wir deshalb an die dreißig Plakate in dreizehn unterschiedlichen Sprachen. Wir erkennen damit an, dass unsere Herkunft vielfältig und unsere Sprachen zahlreich sind. Wenn wir uns trotz dieser babylonischen Sprachverwirrung gemeinsam auf grundsätzliche Werte wie die Menschenrechte und deren Kern, die Menschenwürde, verständigen können, leisten wir einen Beitrag zu einer demokratischen und friedlichen Gestaltung unserer Gesellschaft.

Alexander Sauter