Herr Dr. Blume zu Gast im KFG
Der Antisemitismusbeauftragte der Landesregierung Baden-Württemberg berichtet von seiner Arbeit und davon, warum sie gerade heute so wichtig ist
Am Donnerstag, 6. November 2024, besuchte Herr Dr. Blume das Karl-Friedrich-Gymnasium und hielt vor gut 250 Schülerinnen und Schülern der Klassen 10 und 11, der Kursstufe sowie des Staatlichen Kollegs in der vollbesetzten Aula der Schule einen mitreißenden Vortrag. Nach einer kurzen Einführung in seinen persönlichen Werdegang, bei dem insbesondere sein Einsatz für jesidische Frauen und Kinder im Nordirak in den Jahren 2014 und 2015 hervorstach, berichtete er ausführlich über seine Ernennung zum Antisemitismusbeauftragten im März 2018 (seit 2024 "Beauftragter der Landesregierung Baden-Württemberg gegen Antisemitismus und für jüdisches Leben").
Überraschenderweise ging Herr Blume zunächst gar nicht vom Antisemitismus aus, sondern befragte Schülerinnen wie Lehrer nach ihrer Verfassung angesichts der politischen Ereignisse der Woche (US-Wahl, Bruch der Ampel-Koalition). Ausgehend von den hier geäußerten Krisenempfindungen spannte er in einem informativen und äußerst spannenden Vortrag den Bogen von den frühen Schriftreligionen bis zur heutigen Zeit. Da er neben dem Judentum immer wieder Bezug auf den Islam, das Christentum oder andere Religionen nahm, konnte er verdeutlichen, dass es beim Thema Antisemitismus bei weitem nicht nur um Juden geht. Vielmehr gehe es generell um die Anfälligkeit für Verschwörungsmythen, von denen der Antisemitismus den wichtigsten und ältesten Mythos darstellt. Und in einer Gesellschaft, die sich Verschwörungsmythen wie den Antisemitismus zu eigen mache, sei dann der Schritt zur willkürlichen Verfolgung auch anderer Gruppen nicht mehr weit. Daher stelle eine klare Haltung gegen Antisemitismus auch ein Bekenntnis gegen jede Form von Diskriminierung einzelner Personen oder Gruppen dar, was in der heutigen Zeit, die von Umbrüchen und Krisen geprägt ist, wichtiger sei denn je.
Aus der abschließenden und sehr lebhaften Fragerunde sei eine Schülerfrage hervorgehoben, nämlich wie man in der heutigen Zeit noch zuverlässige Informationen bekommen könne. Auch hier überraschte Herr Blume wieder mit seiner Antwort. In einer Schule würde man an dieser Stelle vielleicht am ehesten die Erziehung zur Text- und Ideologiekritik sowie zur Multiperspektivität hervorheben. Herr Blume sprach dagegen vom direkten Dialog: Je stärker man mit Menschen unterschiedlicher Herkunft und Einstellung ins Gespräch komme, desto mehr gebe es eine Chance der Verständigung. Hieran lässt sich vielleicht die Kernaussage des Vortrags festmachen: Geht aufeinander zu und bleibt – auf Augenhöhe – im Gespräch.
Die Beteiligung während der Fragerunde, die Traube, die sich nach dem Vortrag um Herrn Blume bildete und ihn in ein Gespräch verwickelte (worauf er sich gern einließ), und die zahlreichen Rückmeldungen von Lehrerinnen und Schülern nach dem Vortrag lassen uns auf eine sehr erfolgreiche Veranstaltung zurückblicken. Mit einem gewissen Stolz dürfen wir sie einordnen in unsere zunehmenden Bemühungen um Demokratiebildung.
Alexander Sauter
Eindrücke einer Schülerin
Am 07.11. 2024 hielt Michael Blume, der Beauftragte der Landesregierung gegen Antisemitismus, einen beeindruckenden Vortrag am Karl-Friedrich-Gymnasium Mannheim, der tiefgehende Einblicke in die Problematik des Antisemitismus und dessen Auswirkungen auf unsere Gesellschaft vermittelte. Als Experte auf diesem Gebiet zeigte Dr. Blume bemerkenswert auf, wie Antisemitismus nicht nur als eine Form von Rassismus, sondern als ein gesellschaftliches Übel verstanden werden muss, das weit über die jüdische Gemeinschaft hinausgeht und uns alle betrifft.
Besonders erhellend war die Verbindung, die er zwischen Antisemitismus, Sexismus und Rassismus zog und anhand von historischen Beispielen verdeutlichte. Er machte klar, dass diese verschiedenen Formen von Diskriminierung eng miteinander verwoben sind und oft parallel zueinander auftreten. Ein interessantes Beispiel, das Dr. Blume anführte, war die Hexenverfolgung. Die Verfolgungen, die Jahrhunderte andauerten und Millionen von Frauen das Leben kosteten, seien nicht nur von einem tief verwurzelten Sexismus geprägt gewesen, sondern auch von einer antisemitischen Grundhaltung, die viele der als „Hexen“ Verurteilten zusätzlich stigmatisierte. Diese historische Parallelität zwischen Sexismus und Antisemitismus zeigt auf, wie solche ideologischen Mechanismen Personen in ihrer Menschlichkeit entwerten und so Gewalt und Diskriminierung ermöglichen.
Dr. Blume ließ keinen Zweifel daran, dass diese Formen der Diskriminierung auch heute noch in unserer Gesellschaft vorhanden sind und dass wir nicht in einer post-antisemitischen oder post-sexistischen Welt leben. Die ständige Bedrohung von Antisemitismus und anderen Formen von Diskriminierung zeigt sich in alltäglichen Erfahrungen und manifestiert sich oft in subtileren, aber nicht weniger gefährlichen Formen. Dr. Blume unterstrich, wie tief diese negativen Ideologien in unserer Geschichte und Kultur verwurzelt sind und wie wichtig es ist, ihnen aktiv entgegenzuwirken.
Doch es war nicht nur die Schärfe seiner Analyse, die den Vortrag auszeichnete. Besonders bemerkenswert war seine Lösungsorientierung. Er sprach von der Notwendigkeit eines aktiven Dialogs auf zwischenmenschlicher Ebene als einer der zentralen Antworten auf Antisemitismus. Dr. Blume betonte, dass nur durch den direkten Austausch zwischen den Menschen, durch das Überwinden von Missverständnissen und Vorurteilen, echte Fortschritte erzielt werden können. Der Dialog sei der Schlüssel zur Überwindung von Hass und Intoleranz. Diese Herangehensweise legt den Fokus auf den Einzelnen und seine Verantwortung, die Mauern der Ignoranz zu durchbrechen, indem er auf persönliche Gespräche und Begegnungen setzt.
Auf meine Frage, die die Möglichkeit aufwarf, was geschehen würde, wenn Bildung und der zwischenmenschliche Dialog nicht mehr ausreiche und keine Veränderung bringe, antwortete Dr. Blume mit bemerkenswerter Klarheit und Überzeugungskraft: In so einem Fall müsse man „nicht länger Energie darauf verschwenden“. Die Antwort beinhaltete eine wichtige, aber auch schmerzhafte Erkenntnis: Manchmal habe man keine andere Wahl, als sich von der Situation zu distanzieren, um nicht weiterhin in einen Teufelskreis der Aggression und Intoleranz zu geraten. Diese Antwort gab den Zuhörern nicht nur eine pragmatische Perspektive, sondern auch eine tiefgehende Einsicht in die Notwendigkeit von Selbstschutz und innerer Stärke, wenn es darum geht, sich gegen die Dunkelheit von Vorurteilen zu wehren.
Es war die Balance aus scharfsinniger Analyse und pragmatischem Handeln, die Dr. Blumes Vortrag so überzeugend und eindrucksvoll machte. Sein Engagement für den interkulturellen Dialog und seine Forderung nach Verantwortung jedes Einzelnen in der Bekämpfung von Antisemitismus und Diskriminierung haben einen bleibenden Eindruck hinterlassen. In einer Welt, in der Polarisierung und Hass zunehmen, zeigte Dr. Blume auf, wie wichtig es ist, auf dem Boden der Menschlichkeit und des respektvollen Dialogs zu bleiben.
Insgesamt war der Vortrag von Herrn Blume eine klare und dringende Mahnung, sich aktiv gegen Antisemitismus und jede Form von Diskriminierung zu stellen. Er vermittelte nicht nur Wissen, sondern auch ein starkes Gefühl der Verantwortung für die Gesellschaft, in der wir leben. Die positive Wirkung seiner Worte wird sicherlich noch lange nachhallen und den Anstoß zu weiteren wichtigen Diskussionen und Handlungen geben.
Geschrieben von Dilara Altun, K2